Nach fast 3 Wochen Natur freuten wir uns auf Poitiers, die als Stadt der Kunst und der hundert Türme bezeichnet wird. Poitiers als Unistadt reizte uns ebenfalls, entsprach doch die Einwohnerzahl im Verhältnis zur Studierendenzahl exakt der unserer kleinen, großen Stadt Tübingen: 90 000 Einwohner und 30 000 Student*innen. Auch das Alter der Universität entspricht sich, Poitiers wurde 1431 und Tübingen 1477 gegründet. Und tatsächlich fühlten wir uns wie zuhause. In allen Cafés hoben wir den Altersdurchschnitt an. Um uns herum sahen wir meist junge Gesichter, die fröhlich diskutierten, lachten und offensichtlich eine gute Zeit miteinander hatten.

Poitiers ist eine alte Stadt. Sie geht auf eine Gründung des keltischen Stammes der Piktonen zurück. Bei den Römern hieß die Stadt Pictavium. Bereits seit dem 3. Jahrhundert ist Poitiers Bischofs-, seit 2002 auch Erzbischofssitz. Nicht immer verlief hier alles friedlich. Die Region zwischen Poitiers und Tours war im Jahr 732 der Schauplatz einer großen Schlacht zwischen Mauren und Franken. Die Schlacht wurde von den Franken unter Karl Martell gewonnen und der Vormasch der Mauren wurde auf die Gebiete südlich der Pyrenäen zurückgedrängt. Im Mittelalter war Poitiers die Hauptstadt der Grafschaft Poitou. Im 12. Jahrhundert residierten hier die Herzöge von Aquitanien, die das Poitou ihrem Herrschaftsbereich hinzugefügt hatten. Im Hundertjährigen Krieg war Poitiers 1356 erneut Schauplatz einer großen und äußerst blutigen Schlacht, diesmal zwischen den Truppen der Könige von Frankreich und England, wobei letztere damals auch über wesentliche Teile Südwestfrankreichs herrschten.

So waren wir neugierig auf diese Stadt. 100 Türme haben wir nicht gezählt, jedoch mittels der drei in www.visitpoitiers.fr beschriebenen Stadtrundgänge sind wir drei Tage durch Poitiers gestreift, haben 7 Kirchen im Detail angeschaut und unzählige Stadt- und Fachwerkhäuser bestaunt.

Die älteste Kirche Frankreichs, der größte Saal Europas – wer Superlative liebt, ist in Poitiers richtig.

Palast der Herzöge von Aquitanien (Justizpalast)

Eleonore von Aquitanien hat selbst den gigantischen Saal zwischen 1191 und 1204 in Auftrag gegeben. La Salle des Pas Perdus mit ihrer Länge von 50 Meter Länge Breite von 17 Meter ist ein erster Höhepunkt unseres Stadtbummels. Selbst heutzutage wird er als der größte Saal in Europa gehandelt. Im Saal wurden Gerichtsverhandlungen abgehalten und manches Bankett. 2003 speiste hier zum Beispiel Gerhard Schröder anlässlich eines deutsch-französischen Treffens bei Kerzenschein. Drei riesige Feuerstellen nebst Kaminen sollen den Saal erwärmen, ob das wohl gelingt?

Notre-Dame-La-Grande

Nicht weit vom Justizpalast stößt man auf Notre-Dame-La-Grande, die große romanische Kirche mit ihrer Bildervielfalt an der Hauptfassade. Zentraler geht es nicht. Vor dem Platz wird Markt gehalten, gleich nebenan befindet sich die Markthalle, die wochentags geöffnet hat. Viele Restaurants, Cafés und Bars locken zum Verweilen. Doch immer, wenn man an Notre-Dame-la-Grande vorbei schlendert, fällt der Blick auf die Westfassade und fordert ein kurzes Innehalten.

Baptisterium Saint-Jean

Der Superlative nicht genug, geht es zum Baptisterium Saint-Jean, eines der ältesten erhaltenen christlichen Stätten Westeuropas aus der Merowingerzeit. Auch das Taufbecken stammt aus dieser Epoche, wo Ganzköpertaufen möglich waren. Die Wandmalereien verzaubern uns.

Kathedrale Saint-Pierre

Überwältigend ist die Westfassade der Kathedrale Saint-Pierre, eine gotische Kathedrale. Neben dieser Vielfalt der Bilderdarstellung außen begeistert uns das älteste Buntglasfenster Frankreichs im Innenraum. An der Apsis wird der Blick auf ein überdimensionales Kreuz gezogen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit dem unglaublichen Ausmaß von 8,35 m x 3,10 m. Das Fenster leuchtet sich so eindeutig in unser Herz, dass wir ergriffen davor stehen. Gibt es einen Gott, dann gibt es ihn hier in der Kathedrale Saint-Pierre in Poitiers.

Sainte-Radegonde

Die heilige Radegund, eine thüringische Prinzessin und Königin aus dem 6. Jahrhundert, gründete 552 das erste Frauenkloster im Frankenreich. 587 wurde sie dort begraben. Die Grabkapelle wurde außerhalb der Stadtmauern errichtet, daher ihr ursprünglicher Name: Sainte-Marie-hors-les-murs. Innerhalb der Kirche befinden sich zahlreiche Votivtafeln auch neueren Datums.

Saint-Hilaire-Le-Grand

Nun sei nur noch Saint-Hilaire-Le-Grand genannt, eine romanische Kirche, die während der französischen Revolution zum Steinbruch verkam. 1869-1875 wurde sie originalgetreu wieder aufgebaut. Die ursprüngliche Holzdecke wurde schon im 12. Jahrhundert durch eine Steindecke ausgetauscht. Damit diese Decke stabil war, wurden unzählige Säulen eingezogen. Die Vielzahl dieser lassen immer wieder reizvolle Ein-und Ausblicke zu.

Kurioses

Am Place de la Liberté steht eine Freiheitsstatue. Sie wurde von der Freimauererloge als Hommage an einen General errichtet, der wegen eines Komplotts von Ludwig dem XVIII hingerichtet wurde.

Das römische Amphitheater von Poitiers wurde über die Jahrhunderte abgerissen und die Straßenzüge passten sich dem Oval an. Noch heute kann man deshalb die Ausmaße des Theaters am Stadtplan erkennen. Es ist mit seiner ursprünglichen Länge von 142 m nicht das größte gewesen, aber auch nicht das kleinste. Zum Vergleich: Das Kolosseum ist 188 m lang. An manchen Stellen kann man noch noch ein Tor oder einen Mauerrest entdecken.

In Frankreich gibt es nur noch 5 Manufakturen, die Regenschirme herstellen. Eine davon ist in Poitiers in der Grand’Rue 137 zu finden. Wir haben sie besucht und dies ist einen eigenen Beitrag wert!

Essen

Poitiers bietet für jeden Geschmack etwas Passendes. Auch Vegetarier*innen können hier lecker Weltküche essen. Aber natürlich gibt auch die traditionelle Küche des Poitou. Die probierten wir am 2. Abend. Hätte ich mich mal mehr mit der Übersetzung beschäftigt. Ich hatte mir bei Andouillette eine Wurst, ähnlich der Thüringer Rostbratwurst vorgestellt. Ich hatte ja bei der Carte Blanche gesagt, einzig, ich mag keine Kutteln. Na ja, ich habe eine 3/4 der Andouillette gegessen. Die mit der Kochbrühe hergestellte Senfsoße schmeckte einzigartig gut.

Vorspeisen:

Salade Potevine aux deux Chèvres (Salat mit Ziegenkäse-Croutons)

Terrine Picave aux Noix et quatre Epices (Leberpastete)

Hauptspeise

Andouillette Sauce aux deux Moutardes (Kuttelwurst mit Senfsoße)

Tripes au pineau des Charentes (Kutteln)

Nachspeise

Pommes au Four rôtie à la Canelle et Rhum glacé Figue Miel (Bratapfel mit Feigeneis)

Crumble aux Almandes et Prunes

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