Happy Rente mit den Römern

Seit über einem Jahr bin ich nun in Rente. Ich sehe mich in der privilegierten Situation, dass meine Rente zum Leben reicht. So liegt es nahe, mich ehrenamtlich zu engagieren.

Möglichkeiten gibt es genug! Nach fast 40 Berufsjahren reizte es ich, ein Thema zu vertiefen, das mich schon lange interessierte. Auf unseren Reisen ließen wir kaum eine archäologische Fundstätte links liegen. Besonders die Römer hatten es mir angetan. Sie hinterließen nicht nur bauliche Strukturen in fast ganz Europa, Nordafrika und Kleinasien. Auch in europäischen Sprachen, in Verwaltung und Rechtsprechung findet sich ihr Erbe.

In unmittelbarer Umgebung, z.B. in Rottenburg, römisch Sumelocenna, wurden Archäologen fündig. Ein paar Kilometer südlich von Tübingen, in Stein bei Hechingen, entdeckte Gerd Schollian, damals Ortsvorsteher von Stein, 1971 Fundamente einer römischen Villa Rustica. Seither wird permanent ausgegraben, sondiert, dokumentiert, restauriert und rekonstruiert.

Das erste Mal besichtigte ich die Villa Rustica 1988. Schon damals war ich fasziniert von der Lage und der besonderen Ausstrahlung dieses Ortes. Die Römer suchten sich ihre Siedlungsorte sehr genau aus!

2016 besuchte ich die Villa Rustica zum zweiten Mal. Wie viel hatte sich in der Zwischenzeit verändert! Das Museum mit den Originalfunden war komplettiert, die Schutzmauer der 2. Bauphase rekonstruiert und vieles mehr. Bereits damals keimte bei mir die Idee auf, im Förderverein mitzuarbeiten.

Letztes Jahr war es dann so weit, ich wurde Mitglied im Förderverein. Inzwischen war ein neuer Bereich hinzugekommen, der Tempelbezirk. In liebevoller Kleinarbeit wurde der Corona-Lockdown genutzt, um Aediculae genannte Tempelchen, die Jupiter-Giganten-Säule, eine Portikushalle und Nebengebäude aufzubauen, deren Gestaltung sich an vorhandene Funde im süddeutschen Raum und Darstellungen in Pompeji orientiert.

In diesem September ist eine Sonnenuhr dazugekommen. Es handelt sich um eine verkleinerte Version des 30 m hohen, von Kaiser Augustus auf dem Marsfeld in Rom aufgestellten Obelisken.

Ich arbeitete mich ein, um Führungen anzubieten. Je mehr ich las, römische Fundstätten, Ausstellungen und Vorlesungen besuchte, desto größer wurde meine Begeisterung. Das bestehende “Team der Führungskräfte” nahm mich liebevoll auf und unterstützte mich bei der Einarbeitung. So habe ich nicht nur ein neues, interessantes und befriedigendes Tätigkeitsfeld gefunden, sondern nette Kolleg*innen dazugewonnen!

In den letzten Monaten führte ich viele Schulklassen. Dies bereitete mir besondere Freude, weil die meisten Kinder und Jugendlichen großes Interesse zeigten. Und ist es nicht wichtig, dass wir uns mit unserer Vergangenheit beschäftigen und ein Verständnis dafür entwickeln, wie wir an den Punkt gekommen sind, an dem wir, als Individuen, Familien, Gesellschaft, ja Menschheit, heute stehen?

Um damit anzufangen, ist die Villa Rustica in Stein bei Hechingen ein wunderbarer Ort. Am besten macht ihr euch selbst ein Bild davon und fahrt hin – ich kann nur empfehlen, eine Führung zu buchen!

2 Kommentare

  1. Ein faszinierendes Beispiel dafür, dass es so etwas wie “magische Orte” gibt, die einen in den Bann ziehen! Von dieser Verbindung profitierst du ebenso wie die Menschen, denen du das Römerleben in der Villa näherbringst – und der Ort profitiert auch, weil er seine Existenzberechtigung über die Jahrtausende konserviert. Ein schöner Bericht! Danke für deinen Einsatz! Herzliche Grüße, Alfred

    1. Danke, lieber Alfred. Ich freue mich immer wieder, so interessierten und informierten Besuchern wie euch den Genius Loci der Villa aufzuzeigen!

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