Neue Funde aus der Villa Rustica Hechingen-Stein: Unsere Seele wird angesprochen

Wir lieben „alte Steine“. Gleich zu Beginn unserer Beziehung, vor über 50 Jahren, reisten wir nach Südfrankreich und waren vom Amphitheater in Nîmes oder dem römischen Aquädukt Pont du Gard bei Vers-Pont-du-Gard fasziniert. Gabriel Zuchtriegel zitiert Stendhal in seinem Buch „Vom Zauber des Untergangs, Was Pompeji über uns erzählt“ (S. 16, 3. Auflage 2023, Propyläen im Ullstein Verlag): „…das spricht lebendig zu meiner Seele“. Das kann ich, und ich denke auch Peter, voll und ganz unterschreiben. Unsere Seele wird angesprochen, wenn wir durch Ausgrabungsstätten schlendern. Oft wandern wir nicht, sondern sitzen lange auf einem Stein und schauen in die Umgebung. Ich erinnere mich an Phaistos auf Kreta. Dort erheben sich die Reste des minoischen Palasts über der Messara. Von der Treppe hat man einen wunderbaren Blick auf die Ebene. Das spricht die Seele an, sicher auch eure.

Alte Kulturen sind für uns nicht nur Steine, sondern wir sind fasziniert von ihrer Kunst und Kultur, von den Zeugnissen ihres Umgangs mit dem Alltag, ihren Herausforderungen an Umwelt, Krankheiten, Migration und Ressourcen. Wir entdecken immer wieder, dass die „untergegangenen“ Kulturen mit den ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten wie wir heute. Ich möchte nicht so weit gehen, zu fragen, was wir von diesen Kulturen lernen können. Dazu sind die Fundstätten der „Archaeological Sites“ viel zu spannend und beeindruckend. Aber abends bei einem Gläschen Wein stellen wir uns natürlich genau diese Fragen.

Peter hat sein Rentenprojekt auf seine Faszination für alte Kulturen ausgerichtet. Er führt Schulklassen durch das Gelände der römischen Villa Rustica in Stein bei Hechingen. Diese „herrschaftliche“ Villa beeindruckt mich schon wegen ihrer herrlichen Lage. Die ganze Zollernalb liegt vor einem und der Blick auf die Hohenzollern ist umwerfend. Egal wie das Wetter ist, sonnig, bedeckt, regnerisch, ein Besuch lohnt schon allein wegen der Aussicht. Die Römerinnen und Römer schauten natürlich nicht auf die Hohenzollern, aber die Zollernalb mit ihren beeindruckenden Hügeln war schon da.

In den letzten beiden Jahren wurden in Hechingen-Stein Grabungen an den Außengrenzen durchgeführt. Man will und wollte wissen, wie groß die Villa war. Beim Graben, so erzählt ein Ausgräber, habe er einen Stein in der Hand gehabt. Er dreht ihn und plötzlich schaute ihn ein Gesicht an.

Das ergriff ihn zutiefst, wie er sich erinnert – eine fast spirituelle Erfahrung. Vielleicht kann man sagen, dass genau das gemeint ist, was Zuchtriegel mit seinem Stendhal-Zitat andeutet. Die Seele nicht nur dieses Ausgräbers hat es plötzlich gepackt. Denn seitdem graben alle mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht. Jetzt sind über 100 Teile eines vermutlichen Weihedenkmals gefunden.

Es thronte 60 m oberhalb der Villa. Mit einer geschätzten Höhe von 15 m erhob es sich weithin sichtbar vom Tal. Vielleicht sollte es die Anlage, die Villa, beschützen. Noch ergeben die wenigen Steine zu wenig Sinn. Wer weiß, auf dem Weihedenkmal könnten sich Götter tummeln.

Eine erste Rekonstruktion wurde per 3-D-Drucker in Angriff genommen. Schaut euch mal den Pfeiler Nautae Parisiaci an. So könnte das Weihdenkmal ausgesehen haben. Nachgrabungen sind für 2025 geplant. Vielleicht weiß man dann mehr.

So oder so: Plant einen Besuch in Stein im Frühjahr 2025. Es lohnt sich. Die Anlage ist bezaubernd. Man kann sich gut vorstellen, wie die Römer hoch über dem Starzeltal es sich wohl sein ließen. Ab 01.11.2024 wird die Villa in ihren wohlverdienten Winterschlaf fallen. Ab 01.04.25 ist die Anlage wieder offen für alle.

Auf Peters Bildergalerie könnte ihr noch ein paar Fotos mehr von der Präsentation der Grabungsergebnisse am 24.10.2024 anschauen:

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