Aqtöbe in Kazakhstan

Neben Arbeit (siehe „Mit dem SES in Aqtöbe/Kazakhstan“) bedeutete unser Aufenthalt in Aqtöbe ein spannendes Einleben in der neuen Umgebung. Anfangs war alles ungewohnt und mit einem ersten Mal verbunden. Zum Beispiel das Einkaufen des täglichen Bedarfs. Wo sind die Haferflocken, wo ist das Brot, welche der bestimmt zehn Sorten Butter könnte uns schmecken, welche Milch bzw. welche Packung Ayran sollen wir wählen? Wir kauften im nahen Supermarkt auch Wasser in 5-l-Plastikbehältern. Wasser aus der „normalen“ Leitung sollte man nicht trinken. Erst nach einer Woche entdeckten wir, wie unsere Mitbewohner*innen das machen. Vor dem Haus gab es eine „Zapfstelle“ für gefiltertes Trinkwasser. Für wenige Cent konnten wir die 5-Liter-Behälter dort befüllen. Das war natürlich prima, denn das Heimschleppen vom Supermarkt entfiel.

Mit der Zeit lernten wir unsere direkten Nachbarn kennen und grüßten uns gegenseitig freundlich im Treppenhaus und Hof.

Zwei ältere Damen im Haus, die unser Deutsch hörten, unterhielten sich mit uns, sogar weit entfernt in der Stadt. Einmal hatten wir Lust auf ein Bier in einer Kneipe mit dem Namen „Revolverbar“. Keine Sorge, wir wurden nicht beschossen. Auch hier stellte sich unsere Sprache als Türöffner heraus. Nach kurzer Zeit stand ein zweites Bier vor uns und statt einer Revolverkugel kullerte ein leckeres Eisbällchen im Glasschälchen! Die Damen-Viererrunde am Nebentisch war mit uns ins Gespräch gekommen. Überhaupt verzauberte uns die kasachische Gastfreundschaft!

Die Orientierung war anfangs fremd. Wir wählten meist die uns bekannten Wege. Dann wurden wir mutig und entdeckten interessante Restaurants und Cafés in Nebensträßchen.

Wir hatten zuvor noch nie von der Stadt Aqtöbe gehört. Nach Almaty, Astana und Schymkent ist sie jedoch die viertgrößte Stadt des Landes. Hier leben mindestens 600.000 Menschen, wobei Einheimische bereits von einer Million ausgehen. Aqtöbe ist ein bedeutendes Wissenschaftszentrum, aber auch Handel und Dienstleistungen sind stark vertreten. Zudem gibt es ein großes Ölvorkommen. Man sagt, Aqtöbe ähnele einer typisch russischen Provinzstadt. Diese Städte wurden nach Masterplänen russischer Topographen errichtet. Der erste Masterplan für Aqtöbe wurde im Jahr 1874 erstellt. Deshalb gibt es dort wunderbar angelegte Alleen und begrünte Höfe für die mehrstöckigen Wohngebäude.

Besonders die Höfe gefallen uns. Jung und Alt sitzen zusammen und haben Spaß miteinander.

Wir wohnen mitten in der Stadt, in einem Wohnblock im 12. Stock. Auf die beiden Hauptverkehrsachsen konnten wir durch das Küchenfenster sehen. Hier gab es Tag und Nacht immer Verkehr.

Den täglichen Weg zur Arbeit bei Jas Urpaq konnten wir bequem zu Fuß zurücklegen. Mit der Zeit entdecken wir einen Weg, der uns durch eine Allee, vorbei an einem kleinen Wochenmarkt führte.

Das war unser Lieblingsweg. Auf dem Rückweg brauchte Peter meist einen Kaffee bei der Kofe-Bar „Kofeynya”. Ich mochte dort eher den Erdbeer-Eis-Drink, da ich in der Mittagspause Tee trank. 

Jetzt erzähle ich euch noch ein wenig von unseren Stadtrundgängen. Wir lieben Stadtspaziergänge. Dabei werden viele Sinne angesprochen. Man schaut, man riecht, man spürt den Wind, die Sonne und/oder den Regen. Ein Neubaugebiet, 5 km vom Stadtzentrum entfernt, empfanden wir als trist. Dahinter ging es gleich aufs Land. Ob es wohl zur Steppe geht?

In alle 4 Himmelsrichtungen zu laufen, war einfach. Alles ist flach. Einmal sind wir mit dem Bus nach Hause gefahren. Wir wollten einfach wissen, wie das geht. Für 25 Cent kann man Bus fahren. Auch aus Neugier haben wir uns am Wochenende mit einer Art „Uber-Taxi“ (inDrive) zu einem See fahren lassen. Wir hofften auf ein „Schwärzloch“ (Tübinger Ausflugslokal), aber es war eher ein kleiner, trostloser Vergnügungspark.

Der Weg zu den bekanntesten Bauwerken der Stadt, der Nurgasyr-Moschee und der russisch-orthodoxe Nikolaus-Kathedrale führte an der Konzerthalle vorbei.

Die Moschee und die Nikolaus-Kathedrale wurden zwischen 2006 und 2008 im Stadtpark errichtet. Anlässlich des 140-jährigen Stadtjubiläums wurde 2009 ein Boulevard eingeweiht, der die Nurgasyr-Moschee und die Nikolaus-Kathedrale miteinander verbindet. Das macht schon was her.

Hinter der Kathedrale befindet sich die große Keruen Mall, mit einer Eislaufbahn, um die sich die Geschäfte gruppieren. Seht mal, wie modern die Mall ist.

Eine weitere große Moschee ist die sogenannte „Blaue Moschee“, die Nurdaulet-Moschee. Hier wurde in derselben Farbgebung ein Einkaufszentrum angegliedert. Das fanden wir lustig.

In Aqtöbe weht oft ein heftiger Wind, der Staub und Sand durch die Luft wirbelte. Eine Art Kehrmaschine befeuchtete ständig die Straßen, so dass der Staub den Fahrern nicht die Sicht nimmt. Ich trug gerne ein Kopftuch, damit meine Haare nicht verklebten. Der Staub setzte sich überall fest, auch in den Schuhen. Grundsätzlich gilt in Kasachstan: Wer eine Moschee, ein Haus, eine Einrichtung betritt, muss die Schuhe ausziehen. Die Straßenschuhe finden in einem Schuhregal am Eingang Platz und meist schlüpft man in mitgebrachte Gummilatschen.

Aqtöbe ist eine spannende Stadt im Aufbau. Wir gehen davon aus, dass sie sich in den nächsten Jahren „mausern“ wird. Wir mögen sie schon jetzt.

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