Ein Spaziergang durch Göttingen lohnt sich. Ein geführter Spaziergang mit einem Stadtführer, einer Stadtführerin lohnt sich noch mehr. Wir hatten das Glück, von Dr. Gansert durch Göttingen geführt zu werden.

Unser Stadtrundgang begann vor dem altehrwürdigen Rathaus am Markt.

Das Trauzimmer im Rathaus war am Freitag sehr gut besucht. Blumenkörbe mit frischen Blütenblätter warteten darauf, gestreut zu werden. Blütenblätter sollen an den Paradiesgarten erinnern, in dem Frau und Mann unbeschwert miteinander glücklich sein können. Sie symbolisieren Vielfalt statt Langeweile, Freude statt Traurigkeit und Farbenpracht statt Eintönigkeit. Diese Symbolik funktioniert hier nicht mit all den weißen Blütenblättern.
Aber die Rathaushalle von innen und das Alte Rathaus von außen sind ein architektonisches Schmuckstück. Man sieht beides in seiner ganzen Farbenpracht.


Bevor wir zum Gänselieselbrunnen gehen, suchen wir an der Ecke Markt/Kornmarkt die Metallplatte im Pflaster. Dort befindet sich der Vierkirchenblick. Hier sind die vier Innenstadtkirchen St. Albani, St. Jacobi, St. Johannis und St. Michael zu sehen.
Der Gänselieselbrunnen ist das Wahrzeichen von Göttingen. Auch uns wurde Göttingen mit einer Karte dieses Brunnens empfohlen. 1898 schrieb der Magistrat der Stadt Göttingen einen Wettbewerb für die Gestaltung des Brunnens auf dem Marktplatz aus. Obwohl das Gänseliesel den zweiten Platz belegte, wurde der Brunnen realisiert. Das Gänseliesel gefiel den Bürgern besser. Und offensichtlich hatten die Bürger den richtigen Riecher. Denn das Liesel wurde zur meistgeküssten Frau der Welt. Auch wir erlebten einen „Kussalarm“. Heute küssen alle Doktorandinnen und Doktoranden das Gänseliesel und schmücken es mit einem Blumenstrauß. Ein Trittstein im Brunnen verhindert eine begleitende Taufe.


So ist das Gänseliesel ein markanter Treffpunkt. Ebenso eindeutig für ein Treffen ist der „Nabel“ an der Kreuzung Weender Straße/Prinzenstraße. Hier steht die Skulptur „Der Tanz“ von Bernd Altenstein. Hier ziehen sich Menschen gegenseitig Masken vom Kopf. Damit will er zum Ausdruck bringen, dass der Mensch erst im Tanz sein wahres Gesicht zeigt.


Danach stehen wir schon fast vor der bedeutendsten gotischen Kirche Göttingens, St. Jacobi. Der gotische Flügelaltar wird leider gerade restauriert. Aber wir sind fasziniert von der Bemalung der Pfeiler. Sie wurden 1999 restauriert und die charakteristischen geometrischen Formen nach dem Farbbefund von 1470/80 vollständig rekonstruiert.


Geht man die Weeder Straße noch ein Stück weiter, kommt man am Schröderschen Haus vorbei, einem reich verzierten Renaissance-Fachwerkbau.

Doch nun zurück zu St. Jacobi bzw. hinter St. Jacobi in die Jüdenstraße. Hier stand die erste Synagoge Göttingens, die 1350 zerstört wurde. Wie so oft waren die Juden die Sündenböcke. Sie wurden für den Ausbruch der Pest verantwortlich gemacht. Sie sollen Brunnen vergiftet haben. Auch die weitere Geschichte der Juden in Göttingen war leidvoll. Die Gründung der Universität 1737 mit ihrer Religionsfreiheit gab Hoffnung auf „Emanzipation“, aber der Umgang mit den jüdischen Kollegen blieb ambivalent.

In der Jüdenstraße Nr. 30 befindet sich in einem Fachwerkhaus von ca. 1530 der „Kleine Ratskeller“, eine der ältesten Studentenkneipe der Stadt. Schön ist, dass ihr trotz der Sanierung des Gebäudes noch die Kutscheinfahrt von ehemals erkennen könnt (links neben der Eingangstür).
Weiter geht es zur Junkernschänke, einem der schönsten Fachwerkhäuser. 1446 als gotisches Fachwerkhaus erbaut, wurde es 1547 bis 1549 im Stil der Renaissance umgebaut. Einzigartig sind die Schnitzereien. Von Tierkreiszeichen bis hin zu lebhaften Szenen aus der biblischen Geschichte wie Adam und Eva oder Samson und Delilah gibt es viel zu entdecken, zum Beispiel den ehemaligen Hausbesitzer Swanenflogel mit seiner Frau Othilia.



Nun ist es nur noch ein Katzensprung bis zur klassizistischen Aula der Universität am Wilhelmsplatz. Im Giebelrelief sind die Fakultäten Theologie, Jura, Medizin und Philosophie bildlich dargestellt.

Hunger oder Durst? Gleich um die Ecke am Wilhelmsplatz gibt es ein nettes Café namens Inti. Wenn ihr dann noch Lust auf einen kleinen Spaziergang habt, könnt ihr am Deutschen Theater und am Stadtmuseum vorbei zum Botanischen Garten laufen. Dort gibt es ein weiteres, nettes persisches Café, das Café Botanik.



Gestärkt warten dann die drei Stadtkirchen auf uns, die wir bisher nur vom Vierkirchenblick aus gesehen haben. Wir besichtigen die dreischiffige gotische Kirche St. Johannis.


Sie ist die Rats- und Stadtkirche Göttingens und wurde zwischen 1300 und 1344 erbaut. Auffallend sind die beiden unterschiedlich hohen Kirchtürme. In einem der Türme wohnte bis 1921 der letzte Türmer. Danach wurde die Turmstube von Studenten bewohnt. Das war zwar malerisch, aber auch unbequem. Es gab dort oben keine Toilette und kein Wasser.
In dieser Ecke ist es nicht mehr weit zur Paulinerstraße, einer komplett sanierten Straße mit Fachwerkhäusern aus dem 15. bis 18. Jh.

Jetzt heißt es Abschied nehmen von Göttingen. Wir sind zum Geburtstag eines lieben Freundes nach Hannover eingeladen. Ich liebe Wochenmärkte. Zum Glück gibt es hier samstags einen sehr schönen Wochenmarkt.



